Ein Koffer für ein Zimmer?

Kolumne Mai/Juni 2019

Ich schliesse die Haustür hinter mir und laufe los. Nach einigen Schritten fällt mir auf, dass es viel kälter ist als noch vor den Ferien. So drehe ich mich um, spurte die Treppe hinauf und nehme meine Daunenjacke aus dem Kleiderschrank. Gut eingepackt eile ich davon, um rechtzeitig in der Schule zu sein. Der Weg dorthin dauert rund 15 Minuten, vorbei an endlos langen Strassen, die schnurgerade über Hügel verlaufen und dahinter irgendwo im Morgennebel verschwinden. Doch auch hier hat sich etwas verändert. Die Blätter an den Bäumen haben sich verfärbt. Braun, rot, orange – die herbstliche Farbenpracht ziert nun die Strassen.

​Nachdem ich im Sommer Cricket kennenlernen durfte, wollte ich unbedingt auch noch Neuseelands Nationalsport, Rugby Union, ausprobieren. Mit ein bisschen Glück wurde ich im U16-Schulteam aufgenommen, obwohl ich für dieses mittlerweile zu alt bin. Die Sportart stammt ursprünglich aus England. Alles begann im Jahr 1823 mit einem Schüler, der während eines Fussballspiels den Ball in die Hände nahm und losrannte. Grundsätzlich geht es beim Rugby darum, dass man das Spielgerät hinter der gegnerischen «Try Line» hinlegt. Dabei darf nur rückwärts gepasst und vorwärts gekickt werden. Um einen Gegenspieler zu stoppen, darf man ihn «tackeln», also umholzen, solange man das fair und unterhalb der Schulterpartie tut. Als die Kiwis nach einigen Jahren plötzlich begannen, die Briten zu besiegen, wurde die Vollkontaktsportart schnell zum Nationalsport. Die «All Blacks», das neuseeländische Nationalteam, sind die Weltnummer 1 der Nationenwertung und haben die letzten zwei Weltmeisterschaften gewonnen.

​Pro Woche trainieren wir zweimal, damit wir für das jeweilige Samstagsspiel gewappnet sind. Nach der ersten Runde stehen wir in der Tabelle auf Platz vier und haben noch einige Spiele vor uns. Rugby ist definitiv intensiver und nicht so langatmig wie Cricket. Zudem wird auch bei strömendem Regen gespielt. So wird die Mannschaft auch ordentlich dreckig und manchmal kann man wortwörtlich Gras fressen.

​Den ganzen Mai verbrachten wir im Fach «Outdoor Education» auf zwei Rädern. Mit den Mountainbikes sausten wir auf schmalen Wegen die Berge hinunter. Um die erlernten Fertigkeiten zu überprüfen, verbrachten wir zwei Tage in den Queen Charlotte Sounds. Mein letztes Outdoor Ed Camp gefiel mir sehr, auch wenn es am zweiten Tag wie aus Eimern goss. Hinzu kam noch ein Geografie-Ausflug mit der Schule, wo wir uns mit den Küstenprozessen in der Region befassten.

​In wenigen Wochen ist mein Aufenthalt in Neuseeland zu Ende und ich frage mich jetzt schon, wie ich bloss ein ganzes Zimmer in meinen Koffer kriegen soll.

​Veröffentlicht im Wohler Anzeiger / Bremgarten Bezirksanzeiger am 25. Juni 2019